Kein „finanzpolitisches Harakiri“

Wie die Finanzpolitik derzeit im Status quo verharrt und was wir tun können, um die Staatsfinanzen fit für die Zukunft zu machen

In ihrer Rede im Oktober bei der Präsentation des Budgetentwurfs für 2023 setzte die Finanzministerin Yuriko Backes (DP) viel daran, sich gerade in Krisenzeiten als Verfechterin einer vorsichtigen Haushaltspolitik darzustellen.

Doch so gut dieses Bekenntnis auch inszeniert war, es bleibt die Feststellung, dass der Staatshaushalt mitnichten auf stabilen Beinen steht. Zum einen befinden wir uns angesichts des Krieges in der Ukraine und der wirtschaftlich angespannten Situation in einer unsicheren Zeit, auch für die Staatsfinanzen. Zum anderen gibt es hausgemachte Herausforderungen, die lange bekannt sind aber nur sehr zaghaft bis überhaupt nicht angegangen wurden.

Trotz der unvorhersehbaren Krisen, mit denen die Regierung in dieser Legislatur konfrontiert wurde, muss sie sich daran messen lassen, welche finanzpolitischen Akzente sie dennoch umgesetzt hat. Mit dem letzten Staatshaushalt dieser Legislatur drängt sich daher ein erstes Fazit der Finanzpolitik der Regierung und insbesondere der beiden DP-Finanzminister auf.

Die verpasste Reform

Der Staat wird im Jahr 2023 voraussichtlich ein Defizit von 1,8 Milliarden erzielen. Die anfängliche Idee der großen Steuerreform, bei der keiner verliert, bleibt somit wohl auch in den nächsten Jahren nichts anderes als eine Utopie.

Doch der Bedarf an steuerpolitischen Reformen ist angesichts von klaffenden Ungerechtigkeiten in unserem Steuersystem und steigendem Armutsrisiko unverändert hoch. Die nächste Regierung wird außerdem nicht umhinkommen, den Staatshaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen und genug finanzielle Mittel für den enormen Investitionsbedarf in öffentliche Infrastruktur sicherzustellen.

Neben der unbedingt notwendigen steuerlichen Entlastung von niedrigen und mittleren Einkommen gilt es daher vor allem, die Einnahmen des Staates zu diversifizieren, z.B. über eine Reform der Besteuerung von Wertgewinnen bei Immobilien. Der deutsche Sachverständigenrat für Wirtschaftsfragen plädierte zudem jüngst für eine temporäre Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei sehr hohen Einkommen. Gerade in der aktuellen Situation hätten solche Maßnahmen es erlaubt, die Krisenausgaben zumindest teilweise zu finanzieren.

Darüber hinaus sollten Steuerbegünstigungen, die zu einem Steuerausfall für den Staat führen, in Zukunft systematisch analysiert, evaluiert und angepasst werden. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf klima- und umweltschädlichen Subventionen liegen.

Zukunftsfähiger Finanzplatz

Der Finanzplatz entspricht ungefähr einem Drittel unseres Bruttoinlandproduktes. Der Anteil des Finanzsektors an den Einnahmen des Staates ist demnach mit auch etwa einem Drittel besonders hoch. Diese starke Abhängigkeit des Staates vom Finanzsektor könnte z.B. im Falle einer Finanzkrise zum Problem werden.

Ein zukunftsfähiger Finanzplatz ist demnach unabdingbar und es bedarf einer öffentlichen Debatte, wie wir den Sektor fit für die Zukunft machen können, auch im Sinne von klimafreundlicheren Investitionen.

Leider wird diese Debatte von konservativen Kräften torpediert. Anstatt einer ernsthaften Diskussion über die Zukunft des Finanzplatzes wird sich, wie jüngst in einem gemeinsamen Artikel der Abgeordneten André Bauler (DP) und Laurent Mosar (CSV) zu lesen, in einem Anflug von Hobby-Patriotismus an der Kritik aus dem Ausland empört, wonach Luxemburg weiterhin Unternehmen dabei unterstütze, Steuern zu sparen. Der allgemeine Tenor: Luxemburg macht alles richtig und die Kritik aus dem Ausland ist nichts anderes als eine negative Schmierkampagne.

Anstatt einer ernsthaften Diskussion über die Zukunft des Finanzplatzes wird sich, wie jüngst in einem gemeinsamen Artikel der Abgeordneten André Bauler (DP) und Laurent Mosar (CSV) zu lesen, in einem Anflug von Hobby-Patriotismus an der Kritik aus dem Ausland empört, wonach Luxemburg weiterhin Unternehmen dabei unterstütze, Steuern zu sparen.

Diese Darstellung ist aus zwei Gründen problematisch. Einerseits entspricht sie nicht der Realität. Es kommen weiterhin Unternehmen sicherlich nicht nur, aber auch aus steuerlichen Gründen nach Luxemburg, um anhand von komplizierten Konstrukten Steuern zu sparen. Da hilft es auch nichts, wie die Finanzministerin den Kontakt mit der Kommission des EU-Parlaments, die Steuerschlupflöcher in Mitgliedstaaten untersucht und vor kurzem in Luxemburg war, abzulehnen. Andere Länder, die auch regelmäßig in der Kritik stehen, wie z.B. die Niederlande, gehen hiermit offener um und machen sich somit auch weniger angreifbar.

Andererseits wird durch die Darstellung, der luxemburgische Finanzplatz sei makellos, von der eigentlich wichtigen Frage, wie der Finanzplatz nachhaltiger werden kann, abgelenkt. Denn Tatsache ist, dass Investitionen in klimafreundliche Produkte am Finanzplatz heute noch die Ausnahme sind. In Luxemburg befinden sich derzeit nur etwa 6% der Investitionen in Fonds mit spezifischen Nachhaltigkeitszielen. Eine vom Staat in Auftrag gegebene Studie über die Nachhaltigkeit des Finanzplatzes wurde, womöglich wegen wenig schmeichelhaften Ergebnissen, schlicht nicht veröffentlicht.

Es bleibt das Fazit, dass die Initiativen im Bereich der nachhaltigen Finanzen bisher nur wenig Effekte gezeigt haben. Im neuen Haushaltsentwurf für 2023 fällt zudem auf, dass die Ausgaben für die Entwicklung des Finanzplatzes sich verdoppeln. Es bleibt die Hoffnung, dass diese zusätzlichen 12 Millionen Euro nicht nur für weitere Werbekampagnen bestimmt sind.

Dabei gäbe es Möglichkeiten, die grünen Finanzen stärker voranzutreiben. Zum Beispiel könnte der Staat endlich seine eigenen Fonds in Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens bringen.

Zielorientierte Haushaltspolitik

Der Staatshaushalt ist deshalb so wichtig, weil damit die finanziellen Prioritäten fürs kommende Jahr gesetzt werden. Deshalb sollten die Ausgaben auch daran gemessen werden, ob die Ziele, die man sich gesetzt hat, erreicht wurden oder nicht. Es geht darum, die Effektivität von Maßnahmen zu evaluieren und somit eine zielführende Haushaltspolitik sicherzustellen. Leider passiert dies heute nicht systematisch.

Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob die politische Ausrichtung des Budgets nur an rein wirtschaftlichen Maßstäben gemessen werden sollte. Trotz der Versprechen, andere Indikatoren stärker in den Vordergrund zu rücken, beschränkt sich das Budget weiterhin auf rein finanzpolitische Indikatoren, allen voran das Bruttoinlandsprodukt.

Analysen des STATEC zeigen, dass das steigende BIP in Luxemburg nicht mit einer höheren Lebensqualität und dem Wohlergehen der Bevölkerung gleichzusetzen ist. Während das BIP pro Kopf in den Jahren 2010 bis 2020 um etwa 22% stieg, blieb der Luxembourg Index of Well-Being, ein Aggregat aus 21 verschiedenen Indikatoren, quasi unverändert.

Im Sinne einer zielorientierteren Haushaltspolitik ist es deshalb überfällig, den PIBien-être sowie andere weitreichendere Indikatoren in die Arbeiten rund um den Staatshaushalt miteinfließen zu lassen.

Mehr finanzieller Spielraum

Angesichts der aktuellen Situation scheinen die Zeiten der sorglosen Finanzpolitik definitiv vorbei. Auch die nächste Regierung riskiert, nur über wenig finanziellen Spielraum für grundlegende Reformen zu verfügen, vor allem wenn mit einer dritten Indextranche im nächsten Jahr weitere hunderte Millionen mobilisiert werden müssten, um die Mehrkosten für Unternehmen zu kompensieren.

Hinzu kommt, dass die über 600 Millionen schweren Preisbremsen, die im Rahmen der zweiten Tripartite entschieden wurden, Ende 2023 auslaufen. Angesichts der Aussicht, dass die Energiepreise wohl auch im nächsten Winter hoch bleiben werden, sollte jetzt schon an gezielteren Maßnahmen gearbeitet werden, welche die derzeitigen pauschalen Preisbremsen Ende 2023 ersetzen könnten und gleichzeitig das Budget weniger belasten.

Es gilt, die Staatsfinanzen fit für die Zukunft zu machen und bereits jetzt den finanziellen Grundstein zu legen für eine tiefgreifende Steuerreform, die in der nächsten Legislatur so schnell wie möglich umgesetzt werden sollte. Alles andere wäre, um es in den Worten der Finanzministerin zu sagen, nichts anderes als „finanzpolitisches Harakiri“.

Erstpublikation: Luxemburger Wort, 10.12.2022

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